Onkologisches Zentrum Vorpommern der Universitätsmedizin Greifswald: Nebenwirkungen der Chemotherapie vermeiden

Prozessorgesteuertes Kühlverfahren (Hilotherapy®) vermeidet Chemotherapie- induzierte Polyneuropathien (Nervenschäden) und reduziert den Haarausfall

Individualisierte, zielgerichtete Therapieansätze haben die Prognose onkologischer Patient:innen in den letzten Jahren signifikant verbessert. Dennoch bleibt die Chemotherapie weiterhin ein wichtiger Meilenstein in der Behandlung vieler Krebserkrankungen. Gleichzeitig ist sie auch die von Patient:innen meist gefürchtete Therapiesäule: die Angst vor Nebenwirkungen ist groß: Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und die Entwicklung von oft irreversiblen Nervenschäden an Händen und Füßen (CIPN – Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie) stehen im Fokus. Bei der CIPN handelt es sich um eine Langzeitkompli- kation, die Jahre anhält und die Lebensqualität maßgeblich negativ beeinflusst. Sie geht einher mit Schmerzen, Brennen an Händen und Füßen, Kribbeln und Sensibilitätsverlust (Taubheitsgefühl), teilweise verbunden mit Problemen der Bewegungskoordination und Gleichgewicht. CIPN tritt beson- ders bei Patient:innen auf, die mit Taxanen (Paclitaxel, Docetaxel, nab-Paclitaxel) behandelt werden. Aber auch andere Medikamente können zur Ausprägung der CIPN führen (Platinderivate, Vinca-Alkaloide, 5-Fluoropyrimide). Je nach Art der Chemotherapie entwickeln bis zu 50% der Patient:innen schwere CIPN Symptome (Grad 2-3). Bei akuten Symptomen unter der Chemotherapie müssen oft Therapieintervalle verlängert, Dosis redu- ziert oder die Chemotherapie abgebrochen werden. Dies kann den langfristigen Therapieerfolg negativ beeinflussen.

 

Höchst effektive und einfache Möglichkeit vermeidet Nebenwirkungen Kühlung hat sich als sehr wirksam erwiesen, um Nervenschäden und Haarausfall vorzubeugen. Unter Kühlung verengen sich die Blutgefäße (Vasokonstriktion), welche die Nervenenden an Händen und Füßen versorgen, die Durchblutung wird reduziert, weniger zytotoxische Substanzen gelangen an die Nervenenden und diese werden geschont. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Haarfollikel, um den Chemotherapie-induzierten Haarausfall zu reduzieren. Ein neues prozessorgesteuertes Kühlverfahren zur konstanten Hand-Fuß-Kühlung (Hilotherapy®) vermeidet höhergradiger CIPN: Hände und Füße werden 30 Minuten vor, während und 30 Minuten nach jeder Chemotherapie mit einem speziellen Kühlgerät, ausgestattet mit Hand-Fuß-Manschetten gekühlt. In einem Real World Data Projekt in der Onkologie am Luisenkrankenhaus Düsseldorf wurden Wirksamkeitsdaten von 151 Brustkrebspatientinnen unter kontrollierter Kühlung erhoben: 93,4 % der Patientinnen (n = 141) entwickelten keine limitierenden CIPN-Symptome (Grad 2). 11 Patientinnen zeigten trotz Kühlung limitierende CIPN-Symptome (Grad 2 =10; Grad 3 =1). 4 Wochen nach letzter Chemotherapie waren 96% der Patientinnen ohne Beschwerden. Die 4 Jahres Follow-Up-Daten bestätigten die nachhaltige Prophylaxe: 94% der Patientinnen sind weiterhin ohne Beschwerden, nur 7 Patientinnen zeigten anhaltende Grad 2 CIPN-Symptomatiken. Es bestätigte sich, dass einmal erworbene höhergradige CIPN-Symptome größtenteils irreversibel sind. Daher muss bei der onkologischen Primärtherapie der Fokus auf Prävention liegen.

Die kontrollierte Kühlung (Hilotherapy®), insbesondere zur Vermeidung der CIPN, ist ein wichtiger Ansatz zum Erhalt der Lebensqualität onkologischer Patient:innen. In vielen onkologischen Kliniken und Praxen (national und international), ist sie bereits als Supportivtherapie etabliert.
Ihre Wirkung wurde in randomisierten Studien (Österreich 2024, Belgien 2021 & 2023, Italien 2020 & 2021) belegt.