Medizin-Journal Krebs: Hilotherapy® beugt Nebenwirkung von Chemo vor

Wohltuende Kälte verhindert Nervenschädigungen (Polyneuropathie)

 

Im Interview des Medizin-Journal für Rhein-Main erklärt Dr. rer. nat. Trudi Schaper, Patientenbeauftragte und Verantwortliche für klinische Studien im Luisenkrankhaus Düsseldorf sowie Vorsitzende der Internationalen Senologie Initiative e.V., wie die Hilotherapy® den Nebenwirkungen der Chemotherapie vorbeugt.

→ Frau Dr. Schaper, Sie setzen sich seit Jahren sehr engagiert für eine neue Therapieform ein, die Hilot- herapy®. Diese soll eine sehr häu- fige Nebenwirkung der Chemothe- rapie verhindern: die Chemothera- pie-induzierte Polyneuropathie (CIPN). Bitte erklären Sie uns doch einmal, was das ist?

Es gibt eine Reihe von Chemothera- pie-Medikamenten, die zwar sehr wirk- sam sind, aber auch erhebliche Neben- wirkungen haben können. Bei Brust- krebs beispielsweise können diese Medikamente das Überleben der Patien- tin sichern, doch kann es dabei zu Haarausfall, Hautreizungen, Muskel- beschwerden und Nervenschädigungen (Polyneuropathien) kommen. Letztere sind besonders gefürchtet, da sie mit teilweise erheblichen und auch bleiben- den Beschwerden verbunden sind. Das können Gefühlsstörungen wie Kribbeln, Ameisenlaufen oder Taubheit sein oder aber Schmerzen, die meist an den Fingerspitzen und Fußsohlen beginnen und dann bis zum Handgelenk bzw. Knöchel ziehen.

Andere reagieren überempfindlich auf kleinste Berührungen oder aber nehmen gar keine Reize wie Wärme oder Kälte mehr wahr. Erste Anzeichen können unmittelbar während und nach der Chemotherapie auftreten oder aber erst verzögert. Nicht selten treten die Schmerzen und Beeinträchtigungen noch 90 Tage nach Beendigung der Chemotherapie auf.

Das Problem sind auch nicht nur die Schmerzen oder Missempfindungen. Häufig können die Patienten ganz normale Dinge des Alltags nicht mehr be- wältigen wie zum Beispiel eine Bluse zuzuknöpfen. Tatsächlich bekommen etwa 74 Prozent der Patienten durch die Chemotherapie Beschwerden dieser Art (Polyneuropahtie), über 50 Prozent trifft es sofort mit Beschwerden zweiten und dritten Grades. Dies führt nicht selten dazu, dass die Chemo unterbro- chen werden muss – mit allem, was das für die Grunderkrankung Krebs bedeu- ten kann.

→ Bei der Hilotherapy® arbeiten Sie mit Kühlung – wie kann diese gegen Nervenschädigungen helfen?
Kälte führt dazu, dass sich die Blutge- fäße, welche die Nervenendigungen an Händen und Füßen versorgen, zusam- menziehen und sich der Stoffwechsel zusätzlich vermindert. Damit können die Zellgifte der zytotoxischen Medika- mente nicht mehr an die Nervenenden gelangen und dort Schäden verursachen.

Wichtig ist, dass die Kühlung vor, während und nach der Chemotherapie erfolgt, damit die Nervenschäden erst gar nicht entstehen. Eine spätere Küh- lung lindert lediglich die Beschwerden, sie kann aber eine entwickelte Nerven- schädigung nicht mehr beseitigen.

→ Bitte beschreiben Sie doch ein- mal genau, was die Hilotherapy® ausmacht.

Bei der Hilotherapy® handelt es sich um ein gradgenaues, computergesteuertes Thermoheilverfahren, mit dem Hände und Füße mit speziellen Kältemanschet- ten (Hand-Fußmanschetten) kontinu- ierlich gekühlt werden. Das Prinzip ist sehr einfach: Mit einem speziellem Gerät wird destilliertes oder deminera- lisiertes Wasser auf 10–12°C herunter- gekühlt und kontinuierlich durch die Hand-Fußmanschetten gepumpt. Die Kühlung beginnt 30 Minuten vor der Chemo und dauert bis 60 Minuten nach der Therapie an.

→ Was berichten Patienten von der Hilotherapy®, wie wird diese von den Patienten angenommen?

Nahezu alle Patienten sind mit ihrem Kühlergebnis sehr zufrieden, und alle Patienten würden die Hilotherapy® jeder anderen Patientin oder Freundin empfehlen. Die Kühlung wurde von nur zwei Patienten als „zu kalt“ empfunden – führte aber nicht zum Abbruch des Kühlvorganges. Das ist ein sehr wesent- licher Aspekt, da herkömmliche Kühl- mittel wie Eishandschuhe oder Eis- packs, wie sie in manchen Praxen heute noch genutzt werden, oft als viel zu kalt und nicht tolerabel empfunden werden (minus 18–20°C aus der Kühltruhe). Nicht selten können bei falscher An- wendung auch Verletzungen wie „Frost- brand“ auftreten. Das passiert bei der kontrollierten, sehr moderaten Kühlung durch die Hilotherapy® nicht.

→ Ihr Luisenkrankenhaus war Pilot- krankenhaus für diese Therapie- form. Seit wann arbeiten Sie mit Hilotherapy® und wie sind die Erfolge Ihrer Erfahrung nach?

Wir haben Anfang 2017 mit der Hilo- therapy® begonnen und unter anderem eine Studie mit fast 200 Patienten ge- macht. 130 Patienten nutzten die Hilotherapy® vorbeugend mit jeder Chemo- therapiebehandlung. 42 Patienten dien- ten zunächst als Kontrollgruppe. Die Studie dauerte zwei Jahre und führte zu verblüffenden Ergebnissen: Über 98 Prozent der Patienten hatten nach Be- endigung der Chemotherapie keine gra- vierenden Probleme. Und die wenigen Patienten, die leichte Beschwerden wäh- rend der Chemotherapie entwickelten, waren diese nach vier Wochen wieder los. Auch später kam es zu keinen Polyneuropathien.

Interessanterweise konnten wir in der Kontrollgruppe beobachten, dass mehr als 90 Prozent der Patienten ohne vor- beugende Kühlung Symptome (ver- schiedene Schweregrade) der Polyneuro- pathie entwickelten. Der spätere, auf die Symptome bezogene Nutzen der Hilo- therapy® (für die noch verbleibenden Chemotherapiezyklen) konnte dann zu- mindest eine weitere Verschlechterung der Symptome verhindern.

Für uns steht jedenfalls fest, dass wir mit dieser Therapie, die noch dazu güns- tig ist, unseren Patienten ein großes Stück Lebensqualität erhalten können! Mittlerweile gibt es viele weitere Klini- ken und Praxen, die ersten auch im Rhein-Main-Gebiet. Alle, die die Hilo- therapy® anwenden, bestätigen unsere Erfahrungen und sind begeistert. Aber sie muss wirklich von Anfang an die Chemo begleiten. Und das gilt für alle Krebspatienten, die eine Chemotherapie erhalten müssen.

 

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Quelle: Anzeigen-Sonderveröffentlichung der RheinMainMedia GmbH vom 21. Oktober 2020