HILOTHERAPIE ChemoCare

Durch Kühlung schwerwiegende Nebenwirkungen und Spätfolgen der Chemotherapie gezielt vermeiden

erschienen in Das Medizin-Journal für Rhein-Main, Januar 2022

→Frau Dr. Schaper, die Chemothe rapie ist auch bei Brustkrebs eine häufig eingesetzte, sehr wirksame Therapieoption. Dabei treten aber häufig unerwünschte Nebenwir kungen auf, beispielsweise Haar ausfall und schmerzhafte Nerven­schädigungen an Händen und Füßen, sogenannte Polyneuropa thien. Kühlung kann diesen Neben wirkungen vorbeugen. Könnten Sie uns erläutern, was genau die Küh­lung bewirkt?

Haarausfall ist wahrscheinlich eine der bekanntesten und gefürchtetsten Nebenwirkungen der Chemotherapie. Die Medikamente schädigen Körperzellen, die sich schnell teilen, wie beispielsweise Krebszellen, was der Sinn der Therapie ist. Aber auch andere Zellen wie Haarwurzeln oder Schleimhautzellen können angegriffen werden. Die Folgen sind Haarverlust und Schleimhautentzündungen. Was die Haarwurzeln betrifft, so können diese durch Kühlung geschützt werden, indem die Durchblutung der Kopfhaut reduziert wird. Studien zeigen, dass eine Temperatur von 22° C im Unterhautgewebe und 19° bis 20° C in der Kopf haut den besten Effekt bringt. Dadurch wird die Konzentration des Medikaments an den Haarwurzeln reduziert. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass durch eine solche Kopfhautkühlung der Haarausfall erheblich reduziert werden kann.

Ähnlich funktioniert die Prophylaxe der sogenannten „Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie“, kurz CIPN. Auch hier entstehen die Nervenschädigungen durch hohe Konzentrationen der Medikamente in Händen und Füßen während einer Chemotherapie. CIPN-Symptome manifestieren sich als Defizite in sensorischen und motorischen Funktionen unterschiedlicher Intensität und können die Lebensqualität eines Patienten auch langfristig erheblich beeinträchtigen.

In Zusammenhang mit entzündlichen Hautreaktionen an Händen und Füßen kann als Sonderform auch das Hand-Fuß-Syndrom auftreten. Hier hilft vorbeugend die Reduzierung der Durchblutung durch kontrollierte Kühlung. So können bei der Hilotherapy® Hände und Füße mit einem speziellen, computergesteuerten Kühlgerät kontinuierlich bei 10° bis 12° C etwa 30 Minuten vor Beginn bis 30 Minuten nach der Chemotherapie gekühlt werden, wodurch sich die Wirkstoffkonzentration reduziert und die Nervenenden geschont werden. Wichtig bei dieser Methode ist die kontinuierliche Kühlung der Hände und Füße bei tolerablen Temperaturen. Eine Erwärmung der Hände während der Therapie, weil beispielsweise eine Kühlkompresse oder ein Eishandschuh im Verlauf der Therapie wieder wärmer werden, sollte verhindert werden, da die Durchblutung in den Gliedmaßen dadurch sogar noch verstärkt werden kann.

→Können diese Nebenwirkungen durch entsprechende Kühlung ganz verhindert werden?

Bei der CIPN können schwere Verläufe und Therapieunterbrechungen weitgehend verhindert werden. In einer Studie haben wir die Daten von 151 Patientinnen ausgeweret, die sich für eine vorbeugende Kühlung ihrer Hände und Füße mit dem „Hilotherm ChemoCare“-Gerät entschieden. Von diesen Frauen gaben nur neun Patientinnen an, kurzfristig Symptome mit Schmerzen und leichten Beeinträchtigungen im Alltag zu haben, eine Patientin klagte über einen schwereren Verlauf mit stärkeren Schmerzen. Vier Wochen nach Therapieende klagten nur noch sechs Patientinnen über leichte Einschränkungen und Schmerzen. Wichtig: Je früher gekühlt wird, desto besser.

Bezüglich des Haarausfalls hat eine Auswertung von 353 Patientinnen, die während der Chemotherapie eine Kopfhautkühlung erhielten, gezeigt, dass der Haarausfall bei über der Hälfte der Patientinnen kaum sichtbar war. 76 Prozent der Teilnehmerinnen konnten auf eine Kopfbedeckung verzichten.

→Werden Hand­ und Fußkühlung und Kopfhautkühlung in Deutschland flächendeckend angeboten?

Das ist leider nicht der Fall, was schade ist. Ich wünschte, alle Patientinnen, die eine Chemotherapie brauchen, hätten schon Zugang zu dieser einfachen Prophylaxemöglichkeit. Das Problem ist, dass die Anschaffung einiger Utensilien und Geräte zur Hand/Fuß- beziehungsweise Kopfhautkühlung recht kostenintensiv ist, was viele Praxen scheuen. Um möglichst ein flächendeckendes Angebot zu schaffen, hat sich beispiels- weise die Firma Hilotherm entschieden, onkologischen Praxen ihr ChemoCare-Gerät zu flexiblen Konditionen anzubieten, sie können es kaufen, mieten oder leasen. Als besonderen Service bietet die Firma aber auch Patientinnen und Patienten an, das Gerät für die Zeit ihrer Chemotherapie selbst zu mieten. Dabei handelt es sich um ein Gerät mit drei Modulen zu Hand-, Fuß- und Kopfhautkühlung, die je nach Bedarf auch einzeln angewendet werden können.

Ich denke, Ärzte und Behandler sollten Patientinnen und Patienten diese Möglichkeit nicht vorenthalten und immer überlegen, ob es einen Weg gibt, sie allen zur Verfügung zu stellen, ohne dass sie die Praxis wechseln müssen. Dank innovativer Therapiekonzepte hat sich die Prognose vieler Krebspatientinnen und -patienten in den letzten Jahren deutlich verbessert, es gibt immer mehr Langzeitüberlebende.

Aus diesem Grund sollte die Vermeidung von Langzeitnebenwirkungen wie die der CIPN stärker in den Fokus der Krebsbehandlung gerückt werden. Wir haben zurzeit keine Medikamente, mit denen sich eine CPIN behandeln ließe. Daher ist Prophylaxe so wichtig. Das gilt auch für die Vermeidung des Haarverlusts, der zwar meist nur vorübergehend ist, aber von unseren Patientinnen als sehr belastend empfunden wird. Hier werden meines Erachtens vorhandene Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt.