Polyneuropathie nach Chemo

Der Fachbegriff für Nervenschädigungen, die durch Krebsmedikamente verursacht werden können, ist „Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN)“ oder abgekürzt  auch „PNP“ für Polyneuropathie.

Polyneuropathie allgemein steht für eine Erkrankung, die das periphere, also außerhalb von Rückenmark und Hirn liegende, Nervensystem befällt.

Medikamente, die im Rahmen einer Chemotherapie verabreicht werden, schädigen oder zerstören Zellen, die sich gerade in der Teilung befinden. Da Tumorzellen sich sehr häufig teilen, werden diese besonders stark bei einer Chemotherapie angegriffen. Im Körper werden jedoch auch weitere, sich schnell teilende, „gesunde“ Zellen angegriffen. Diese, sich schnell teilenden, Zellen finden sich auch im Knochenmark, in den Schleimhäuten und den  Haarwurzeln. In der Regel können diese sich aber bis zum nächsten Chemotherapiezyklus erholen.

Dennoch erleiden ungefähr zwei Drittel aller Chemotherapiepatienten im Laufe ihrer Behandlung eine Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie

Polyneuropathie nach Chemo, CPIN

Wie äußert sich eine Polyneuropathie?

Weil im Zuge einer CIPN üblicherweise mehrere differierende Nerven geschädigt werden, kann sich die CIPN durch eine erhöhte Sensitivität der Haut oder durch verminderte Kontrolle über verschiedene Muskelgruppen äußern.

Entsprechend kann die Polyneuropathie sich auf verschiedene Arten äußern. So berichten Patienten von Missempfindungen, sogenanntes „Ameisenlaufen“, Kribbeln oder Prickeln, die verstärkt in Händen und Füßen spürbar sind. Auch Taubheitsgefühle oder ein Brennen können auftreten.

Andere mögliche Symptome sind beispielsweise:

  • Berührungen werden schlecht oder gar nicht wahrgenommen
  • Extremitäten scheinen taub oder entkräftet zu sein, oder sie fühlen sich wie von Pelz überzogen an
  • gestörtes Temperaturempfinden in den betroffenen Bereichen
  • eingeschränkte Feinmotorik (schreiben, Nähen, auf der Handytastatur tippen sind nur unter Anstrengung möglich)
  • vermindertes Schmerzempfinden
  • Muskelkrämpfe oder unvermitteltes Muskelzucken

Ärzte unterscheiden die Ausprägung der Polyneuropathie in vier, von der World Health Organisation (WHO) definierten, Graden. Entsprechend bezeichnet Grad 0 eine milde Neuropathie, Grad 4 spricht für eine sehr starke Beeinträchtigung des täglichen Lebens. Bereits ab Grad 1 kann die Neuropathie den Alltag des betroffenen Patienten beeinträchtigen.

Was sind die Ursachen von Polyneuropathie?

Medikamente, die im Rahmen einer Chemotherapie verabreicht werden, schädigen Nervenzellen, Nervenzellen oder die Hülle, die schützend um die Nervenzellfortsätze liegt. Dadurch wird der Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen und dem umliegenden Gewebe gestört. Elektrische Impulse werden also nicht korrekt übertragen und empfindliche Nervenfasern senden falsche Informationen an das Gehirn. Dies führt zu Beschwerden, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Wenn motorische Nervenfasern betroffen sind, können Muskelschwäche und Muskelkrämpfe auftreten. Wenn das vegetative Nervensystem geschädigt ist, funktionieren Blutgefäße, Drüsen oder innere Organe nicht richtig.

Zu den Medikamenten, die bekanntermaßen Polyneuropathien auslösen können, zählen Taxane (Paclitaxel, Docetaxel), Vincaalkaloide (Vincristin, Eribulin) und Platinpräperate (Cisplatin, Carboplatin, Oxalplatin, Bortezomib, Ixazomib, Calfizomib, Thalidomid, Lenalidomid, Brentuximab Vedotin).

Polyneuropatie - Schäden am Sensorchen Neuron - Grafik

Kann eine Polyneuropathie geheilt werden?

Eine CIPN lässt sich nur bedingt behandeln. Die Therapie ist dabei stark abhängig davon, welche Symptome von Betroffenen als vordergründig empfunden werden. Zur Behandlung von Taubheitsgefühlen, Koordinationsstörungen, Muskelschwäche und Missempfindungen wurden bisher nur wenige Medikamente wissenschaftlich als wirksam eingestuft.

Durch Physiotherapie, Elektrotherapie, Hydrotherapie oder Ergotherapie kann Patienten, die unter Taubheit an Füßen oder Händen leiden, Linderung verschafft werden. Bewegung ist dabei für die Therapie jeglicher Symptome äußerst relevant, da dabei unterschiedlichste Reize auf das Gewebe einwirken und eine Verbesserung der Nervenfunktion in den geschädigten Bereichen erzielt werden kann. Im Bezug auf eine Verbesserung der Symptome hat sich insbesondere das sogenannte Funktionstraining in Studien hervorgetan. Dabei werden Balanceübungen mit Feinmotoriktraining, Koordinationsübungen und sensomotorischem Training kombiniert.

Welche Schmerzmittel helfen bei Polyneuropathie?

Alltägliche Schmerzmittel wie Paracetamol oder Metamizol wirken bei der Behandlung von CIPN nur stark eingeschränkt und werden ausschließlich zur Behandlung von leichten, nicht kontinuierlichen Schmerzen angewandt. Deswegen wird eher zu Opioiden verschiedener Stärke gegriffen.

Welche Medikamente gibt es gegen Polyneuropathie?

In letzter Zeit wurde die topische Behandlung von CIPN mit Capsaicin Pflastern untersucht und als erfolgreich in der Linderung der Symptome eingestuft.

Außerdem werden Antikonvulsiva und Antiepileptika, also Medikamente, die zur Vermeidung von Krampfanfällen entwickelt wurden, eingesetzt. Dazu zählen beispielsweise Gabapentin, Pregabalin und Carbamazepin.

Weiterhin können Antidepressiva wie zum Beispiel Amitrytilin oder Duloxetin hilfreich sein. Durch sie wird der Schmerz zwar nicht gelöst, aber seine Weiterleitung über die gestörten Nervenfasern wird unterbrochen.

Unterstützend können therapeutische Salben oder Pflaster eingesetzt werden.

Üblicherweise wird bei der Behandlung der CIPN aber auf Physio-,Elektro- oder Ergotherapie gesetzt.

Wie ist der Krankheitsverlauf bei Polyneuropathie?

Eine akute CIPN tritt meist während oder kurz nach der Infusion auf und klingt häufig innerhalb weniger Tage wieder ab.

Oft beginnt sie bei der Behandlung mit bestimmten Chemotherapeutika aber schleichend und verstärkt sich mit steigender Anzahl der Behandlungszyklen. Dabei kann ein leichtes Kribbeln sich in starke Schmerzen wandeln.

Ist Polyneuropathie nach einer Chemo heilbar?

Abhängig davon wie früh die CIPN diagnostiziert wird, kann eine Verschlechterung und Ausbreitung der Symptomatik verhindert und behandelt werden. Die Ursache der CIPN kann schwerlich therapiert werden, da die aggressive Wirkung der Chemotherapeutika für deren Wirksamkeit unabdinglich ist. In einigen Fällen kann das Chemotherapeutikum gewechselt werden, meist ist die Behandlung der CIPN allerdings vor allem symptomatisch. Oft bildet sich die CIPN allerdings nach abgeschlossener Chemotherapie zurück, wofür vor allem der rechtzeitige Therapiebeginn wichtig ist.

Polyneuropathie in den Füßen

Auswirkungen der Polyneuropathie in den Füßen können so stark sein,  dass das Gehen beschwerlich wird.

Vor allem für die Therapie von durch Polyneuropathie ausgelösten Empfindungsstörungen und Schmerzen in den Füßen haben sich Akkupunktur sowie die Fußreflexzonenmassage mit Capsaicin-haltigen Salben als wirksam erwiesen. Ausreichende Bewegung ist ebenso hilfreich, Physiotherapie, Gehtraining oder Aquagymnastik unterstützen die Heilung. Patienten können ihre Füße mit einem Igelball oder Bürsten selbst massieren. Wechselbäder gelten ebenfalls als hilfreich.

Ebenso sollten übermäßige Nervenreize, wie Kälte oder Hitze, so wie nervenschädigende Substanzen wie Alkohol und Zigaretten,vermieden werden.

Ergänzend können Entspannungstechniken wie beispielsweise autogenes Training die bessere Verarbeitung der Beschwerden unterstützen.

Studien beweisen, dass Patienten die proaktiv ihre körperliche Fitness ausbauen und trainieren häufig weniger starke Symptome erleiden und die Folgen einer Neuropathie besser kompensieren können.

Allgemein gilt auch bei Ärzten „Was dem Patienten gut tut, ist erlaubt“

Wie die Hilotherapy bei Polyneuropathie nach Chemo hilft

Das HILOTHERM® ChemoCare CIPN Gerät dient der kontrollierten Kühlung der Extremitäten.

Das Gerät ist ausgestattet mit speziellen Hand-/Fußmanschetten und bildet mit seinen Leitungen ein geschlossenes System, durch welches destilliertes Wasser als Kühlmedium gepumpt wird. Die prozessorgesteuerte Kühleinheit überprüft dabei die konstante Temperatur während der gesamten Anwendung – auch über mehrere Stunden.

Kontrollierte Kühlung bei moderater Temperatur

Zur Vermeidung der Polyneuropathie und des Hand-Fuß-Syndroms werden Hände- und Füße während jeder Chemotherapiegabe gekühlt.

Einfach. Verträglich. Hoch effektiv.

Zum Therapie-Gerät HILOTHERM ChemoCare

Heimtherapie

Wie bereits erwähnt, ist die aktive Beteiligung des Patienten an der Therapie der Neuropathie unumgänglich. Es finden sich zahlreiche Brochüren und Anleitungen, die die Therapie unterstützen und es dem Patienten ermöglichen, sich auch Zuhause Linderung zu verschaffen.

Teile dieser Heimtherapie sind die Schulung der Sensorik, der Motorik, der Sensomotorik und die Gangschulung.

1. Sensorik

Das Training mit dem Igelball, durch die Massage der Hand- und Fußflächen, unterstützt die Ausbildung der Oberflächensensibilität. Das Kneten und Drehen des Balls in der Hand kräftigt und schult die Feinmotorik.

Weiterhin kann mit Therapieknete gearbeitet werden, wobei durch das Kneten und Formen bestimmter Dinge, zum Beispiel Zahlen, ebenfalls Kräftigung und Feinmotorik geschult werden.

Mit den Zehen kann eine Zeitung zerfetzt werden, um die Kräftigung und Feinmotorik der Füße zu unterstützen.

Je nach persönlicher Vorliebe und Ausprägung der CIPN können Bewegungsbäder für Hände und Füße therapeutisch wirken. Hände und Füße im Wechsel kaltem und warmen Wasser auszusetzen, kann deren Durchblutung fördern.

Ein Fußmassagebad mit Rollen oder Vibration regt ebenfalls die Durchblutung und die Tiefensensibilität an.

Zusätzlich können Schalen mit verschiedenen Inhalten z.B. Trocken- und Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen, etc), Reis, Nudeln, Murmeln, Spielfiguren, Sand, usw. gefüllt werden, um damit den Tastsinn, Wahrnehmungssinn und generelle Oberflächensensibilität zu schulen. Dabei sollten Patienten auf das gefühlte Gewicht, die Größe, die Form und die Beschaffenheit der Oberfläche achten.

2. Motorik

Hierbei gilt, ein kurzes Training ist besser als kein Training

Zehenspitzenstände

Hierzu kann ein Stuhl zum Abstützen genutzt werden. Stellen sie sich auf die Zehenspitzen. Heben sie die Fersen so weit wie möglich vom Boden ab, halten sie am höchsten Punkt kurz an und senken sie die Fersen langsam wieder auf den Boden ab.

Stuhlübung

Hier setzten Sie sich auf einen Stuhl, steht ohne Hände wieder auf und setzt sich wieder.

Stufenübung

Sie benötigen eine Treppe und halten sich zur Unterstützung am Geländer fest. Dann nehmen Sie so viele Stufen, wie Ihnen auf einmal möglich erscheint und setzen einen Fuß auf die höchste Stufe. Nun steigen sie hinauf, dann setzen Sie den Fuß wieder in die Ausgangsstellung. Nach den Ihnen möglichen Wiederholungen ist das andere Bein dran.

Koordination:

– Versuchen Sie, mit der anderen Hand Ihre Zähne zu putzen

– Werfen Sie zwei Bälle jeweils mit einer Hand gleichzeitig in die Luft und fangen sie wieder. Dann werfen Sie sie abwechselnd.

3. Sensomotorik

Versuchen sie, so lange wie möglich auf einem Bein zu stehen. Um die Übung zu erschweren, können sie sich auf ein Kissen oder eine Decke stellen.

Eine andere Übung ist, entlang eines gedachten Striches zu laufen und dabei die Zehen an die Ferse des anderen Fußes zu setzen.

4. Gangschulung

Achten Sie auf Ihren alltäglichen Gang. Wie hebt Ihr Fuß vom Boden ab. Rollen Sie beim Wiederauftreten über die gesamte Fußsohle ab? Ist Ihre Körperhaltung gerade?